Leopold
FIGL
20.10.1902
Geburtstag Leopold FIGL, ÖVP-Politiker, Todestag 9. 5.1965
Leopold Figl war ein
Politiker der ÖVP. Von 1945 bis 1953 war er der erste Bundeskanzler der Zweiten
Republik Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg und, nach der Provisorischen
Staatsregierung unter Karl Renner, gleichzeitig der erste Bundeskanzler einer
demokratisch legitimierten österreichischen Bundesregierung seit 1934. Als
Außenminister war er danach an den Verhandlungen zum Österreichischen
Staatsvertrag beteiligt, den er 1955 für Österreich unterzeichnete.
Der Österreichische
Staatsvertrag, im Langtitel Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung
eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai
1955, juristisch kurz Staatsvertrag von Wien, wurde am 15. Mai 1955 in Wien im
Schloss Belvedere von Vertretern der alliierten Besatzungsmächte USA,
Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sowie der österreichischen
Bundesregierung unterzeichnet und trat am 27. Juli 1955 offiziell in Kraft.
Gegenstand dieses
Vertrages ist die Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik
Österreich nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich von 1938
bis 1945, dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Besatzungszeit
von 1945 bis1955. Während dieser Besatzungszeit war Österreich zwar formal
wiederhergestellt, aber noch kein selbständiger Staat. Dieser Staatsvertrag
gilt auch als ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung eines eigenständigen
Österreichbewußtseins.
Der Staatsvertrag trägt
die Unterschriften folgender neun Personen:
1.
Wjatscheslaw Michailowitsch MOLOTOW,
Außenminister der Sowjetunion
2.
Iwan Iwanowitsch ILJITSCHOW,
Hochkommissar und Gesandter der Sowjetunion
3.
Harold MACMILLAN,
Außenminister von Großbritannien
4.
Geoffrey Arnold WALLINGER,
Hochkommissar und Botschafter Großbritanniens
5.
John Foster DULLES,
Außenminister der USA
6.
Llewellyn E. THOMPSON Jr.,
Hochkommissar und Botschafter der USA
7.
Antoine PINAY,
Außenminister von Frankreich
8.
Roger LALOUETTE, Stellvertretender
Hochkommissar, Gesandter von Frankreich
9.
Leopold FIGL, Außenminister
von Österreich
Österreich war mit dem Staatsvertrag der
einzige europäische Staat, der nach 1945 bis zur samtenen Revolution 1989 auf
friedlichem Weg frei von allen Besatzungsmächten wurde. In der Zeit des Kalten
Krieges wurden Anschlußverbot und immerwährende Neutralität dahingehend
interpretiert, daß Österreich der Beitritt zur EWG nicht erlaubt sei. So trat
Österreich 1959 mit Wirkung vom 1. Jänner 1960 der Europäischen
Freihandels-assoziation (EFTA) bei, der damals auch Norwegen, Schweden,
Dänemark, Großbritannien, Portugal und die Schweiz angehörten. Erst 1995 wurde
es Mitglied der Europäischen Union.
Zu den Zeugnissen des besonderen Stellenwerts
des Staatsvertrags zählt nicht nur der Umstand, daß Bundeskanzler Julius Raab
das Attribut Staatsvertragskanzler erhielt; dazu zählen auch volksnahe
Geschichten in Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Vertrags, die von einem
politischen Mythos des Dokuments zeugen.
Außenminister Figl, der auch bei politischen
Gegnern beliebt war, wurde vom Volk eine gewisse Trinkfestigkeit zugeschrieben.
Daher war lange Zeit die Legende verbreitet worden, Raab und Figl hätten den
russischen Außenminister Molotow in Heurigenstimmung von der Streichung des
Hinweises auf Österreichs NS-Vergangenheit aus der Präambel überzeugen können.
In einer Karikatur von Hanns Erich Köhler für die Münchner Zeitschrift
Simplicissimus mit dem Titel Wiener Charme in Moskau wurde der Zither spielende
Raab dargestellt, dem Figl, während die russischen Gesprächspartner bereits in
Tränen ausbrechen, etwas ins Ohr flüstert:
“Und jetzt, Raab – jetzt noch d’ Reblaus, dann sans waach!“
(Die Reblaus ist ein beliebtes
Heurigenlied – Text siehe Anhang; sans waach = sind sie weich = sind sie milde
gestimmt und bereit nachzugeben.)
Die Zither Raabs sowie die Noten, auf denen sich auch Notizen der
Russen befinden, tauchte 2011 wieder auf und wird im Julius-Saal der Hypo NOE
in St. Pölten ausgestellt.
Bei der Vertragsunterzeichnung im Schloss Belvedere fielen als
Abschlußsatz der Dankesrede Figls auch seine berühmten Worte Österreich ist
frei! – eines der bekanntesten politischen Zitate der jüngeren Geschichte
Österreichs. Der Satz wurde im Marmorsaal gesprochen und nicht, wie oft
kolportiert, auf dem Balkon bei der Präsentation des Vertrages. Dieses bis
heute festgefahrene Mißverständnis hat seinen Ursprung in der medialen
Berichterstattung, denn in einer Dokumentation der Austria Wochenschau sind die
Bilder, die Figl auf dem Balkon bei der Präsentation des Vertrages zeigen, mit
den nämlichen Worten seiner Rede unterlegt worden. Diese öffentliche
Präsentation auf dem Balkon soll laut Berichten von Augenzeugen im Protokoll
der Unterzeichnungszeremonie nicht vorgesehen gewesen, sondern von Figl spontan
initiiert worden sein.
Lange Zeit war der Allgemeinheit kaum bekannt, daß sich das Original
des Staatsvertrags im Staatsarchiv des Außenministeriums in Moskau und nicht
in Österreich befindet. Im österreichischen Staatsarchiv ist nur eine Abschrift
vorhanden. Im so genannten Jubiläumsjahr 2005 wurde diese Tatsache deutlich,
als die Vertragsurkunde aus Moskau nach Österreich geholt und auf der Schallaburg
in Niederösterreich sowie im Wiener Belvedere der Öffentlichkeit im Rahmen von
Ausstellungen erstmals gezeigt werden konnte.
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